Lockdown

Kurzarbeit

Und auf einmal habe ich Zeit.

Zeit wofür?

Freunde besuchen? Nicht gestattet.

Reisen? Nicht erlaubt.

Weiterbildung? Abgesagt.

Also überarbeitete ich mein Manuskript,

veröffentlichte mein erstes Buch,

erstellte meine Homepage,

las Bücher und lernte,

arbeitete ein Marketingkonzept aus,

erstellte eine Hygieneschulung

und traf mich vereinzelt mit Leuten auf einen Spaziergang.

 

Monat für Monat

wartete ich darauf, dass wir bald wieder mit der Gastronomie aufsperren

und ich meinen Kellnerjob wieder ausüben würde.

Jetzt ist Anfang April

und außer ein paar Meetings war im Lokal nichts gewesen.

Die Gastro bleibt auch diese Woche noch geschlossen.

Aus dieser Woche werden die nächsten zwei Wochen.

Aus zwei Wochen wird ein Monat.

Aus einem Monat wird „vielleicht nächstes Monat“.

 

Mir bleibt also Zeit.

Zeit wofür?

Mein Buch ist veröffentlicht,

meine Homepage erstellt,

meine Freunde sind beschäftigt.

Vielleicht mal hier im Garten helfen,

dort im Haushalt mitanpacken,

hier ein paar Tiere verpflegen,

dort einen Hund spazieren führen,

hier ein paar Fliesen legen,

dort ein Kastl reparieren.

Aber im Großen und Ganzen gibt es nichts, dass mich ruft

und niemanden, der meine Hilfe braucht.

 

Mir bleibt also Zeit.

Zeit wofür?

Ich verzweifelte bei der Suche, was es jetzt zu tun gab.

Ich hatte mich verrannt in dem Drang anzupacken und mitzuhelfen.

Ich hatte mich verloren in dem Gedanken einen Beitrag leisten zu müssen.

Offenbar gibt es gerade nichts zu tun für mich.

Doch anstatt dies anzunehmen

und mich ins Sein (anstatt ins Tun) hinein zu entspannen

habe ich verkrampft und verbissen danach gesucht,

welchen Beitrag ich leisten kann

und bin daran verzweifelt,

dass sich niemand für meinen „Beitrag“ interessierte.

 

Jetzt entspanne ich mich,

kann den Anspruch fallen lassen, einen Beitrag leisten zu müssen,

und erlaube mir zu sein,

ohne Plan

und ohne einen Sinn zu sehen.

Einfach Sein.

Im Augenblick gibt es nichts, das mich ruft

(außer vielleicht mal eine hungrige Katze),

nichts, das von mir verlangt wird zu tun

(außer vielleicht die Futterschüssel anzufüllen und zu streicheln).

 

Ich habe Zeit.

Zeit zum Sein.

Die Welt braucht meinen Beitrag gerade nicht.

Im Augenblick braucht es nicht mein Zutun.

Der Augenblick braucht mein Tun nicht,

er ist vollkommen.

Erst jetzt kann ich sie sehen – die Vollkommenheit dieses Augenblicks.

Erst jetzt kann ich sie genießen,

weil ich mir Zeit nehme,

Zeit zum Sein.